Lebensmittel vor der Mülltonne bewahren

EIN TAG MIT – dem Team des Enser Warenkorbs

Zur ersten Schicht kam am Dienstag, 2. April 2024, das Team bereits kurz vor 8:00 Uhr zum Dienstantritt (v. L. im Bild): Karl-Heinz Wessolek als Fahrer sowie Lydia Butterweck, Lioba Heimann, Gisela Specht, Susanne Reinhold und Doris Keysselitz. Der Fahrer Achim Treller war zum Zeitpunkt des Fotos bereits unterwegs in Ense auf einer Warenabhol-Tour.

Ense/Wickede (Ruhr) – „Das ist ein Kohlrabi.“ – „Nein, ist es nicht. – Die richtige Knolle ist nicht so scharf im Abgang.“ – „Diese Knolle hier sieht auch nicht wie ein Kohlrabi aus. Doris, probiere du mal.“ Es ist die pure Neugierde, die bei der Lebensmittelkontrolle auch mal zum Probieren bei der Qualitätskontrolle anregt. Während das erste Team von insgesamt drei noch auf den großen Kühlwagen Transporter und auf die erneute Rückkehr des kleinere Nutzfahrzeugs »Berlingo«  wartet, werden – bei einem Kaffee zwischendurch – auch schon mal die Obst- und Gemüsekisten in Augenschein genommen.

Gemeinsam wird gerätselt, um welches Gemüsesorten es sich handeln könnte – doch niemand hat eine passende Antwort. „Es ist schon Wahnsinn, was man alles zum Sortieren bekommt. Von regional bis exotisch ist alles dabei“, sagt Lydia Butterweck und zeigt dabei auch auf einen gelben Romanesco. Zumindest sieht er aus wie einer. Viel Interessantes kommt zusammen, „teilweise hatte man viele Dinge, die man hier kennenlernt, noch nie in der Küche“, sagt die 1. Vorsitzende Doris Keysselitz lachend. Sie ist von Anfang an im gemeinnützigen Verein mit dabei. Das war, um genau zu sein, im Jahr 2010. „Wir haben mit wenigen Tischen angefangen und mit einem Kühlschrank den caritativen Verkauf gestartet.“ Einige hätten damals gemeint, dass sich der Warenkorb nicht lange halten würde. Doch aus dem damals geglaubten Vierteljahr sind bis heute ganze 14 Jahre geworden und der Warenkorb ist als eine soziale Einrichtung mittlerweile ein fester Bestand für die Gemeinden Ense und Wickede (Ruhr) geworden.“

In dieser Zeit ist ein System entstanden, dass sich bewährt hat. Das Sortiment des Warenkorbs wechselt dabei jede Woche. In den letzten Monaten und Jahren kamen immer mehr Bedürftige hinzu, andere sind schon ganz lange Bestandskunden. Leider kalkulieren die Supermärkte ihre Ordermengen an Waren heute – Krisen bedingt – knapper. So kommt es, „dass ich teilweise in der Woche für rund 600 Euro Grundnahrungsmittel, wie Zucker oder Mehl zukaufen muss“, erklärt Keysselitz. Finanziert wird der Enser Warenkorb durch Spenden, egal ob privat, von Firmen oder anderen Vereinen.

Neben dem kleineren Transporter des Enser Warenkorbs hält plötzlich ein privater Pkw vor der Eingangstür, und es wird eine Spende über 540 Ostereier vom Hof Münstermann gebracht. Die Freude darüber ist bei allen groß. Auch, als der große Kühl-Transportwagen rückwärts in die Einfahrt fährt, ist das Team bereit für die Neuanlieferung. „Der Fahrer fährt nach Niederense, Körbecke, Arnsberg, Hüsten und Neheim, um dort Lebensmittel abzuholen, während unser kleiner Berlingo-Transporter nur in Ense unterwegs ist“, sagt Keysselitz. Beim Ausladen wird kräftig mit angepackt, die Kisten stapeln sich auf den Tischen und vor den Theken der verschiedenen Sektionen. Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst, Käse, Milchprodukte, Brot und sogar Waren, die nichts mit Lebensmitteln zu tun haben, finden einen Platz in den Regalanlagen des Warenkorbs.

„Braucht jemand Hyaluron? Das kann ich anbieten“, ruft Keysselitz und schwenkt dabei eines von vielen kleinen Fläschchen, was bei den Helferinnen und Helfer für Erheiterung sorgt. Die Hülle und Fülle an Lebensmitteln, die sonst in der Abfalltonne landen würden, ist gewaltig. „Dabei sind die Waren noch nicht abgelaufen. Zwar sind sie kurz davor oder teilweise auch mal kurz über dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), aber Lebensmittelspenden sind alle noch gut“, sagt Gisela Specht und drückt auf ein Brot, das nicht einmal hart ist.

Zwar gibt es hin und wieder tatsächlich Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, weil sie bereits schimmelig sind, aber der Großteil kann mit einer guten Qualität an die Kundschaft weitergegeben werden. Maximal zehn Tage dürfen die Waren über dem MHD liegen. Und zu Ostern gab es eine Aktion für die Kinder. Vom Kinderschutzbund bekam jedes Kind einen Schokohasen. 200 hatte Keysselitz dafür bestellt.

Insgesamt gibt es drei Teams, mit jeweils fünf Ehrenamtlichen. Diese Gruppen wechseln sich dabei ab. Kommt die eine Gruppe morgens zum Vorsortieren und die andere Gruppe zum Weiterreichen an die Kunden, wird beim nächsten Mal gewechselt. Hinzu kommen noch zwölf Fahrer, die dafür sorgen, dass die Lebensmittel von Netto, Penny, Hackethal, EDEKA und Co. zum Warenkorb kommen. „Ich mache es gerne und solange ich gesundheitlich noch kann, mache ich das auch weiter. Es bereitet mir ja auch Spaß“, sagt Keysselitz und betont den engen Zusammenhalt in der gesamten Mannschaft. Es wird geplauscht, gescherzt und jedes Jahr gibt es eine Weihnachtsfeier für alle Ehrenamtler des Warenkorbs. Und auch nach der Arbeit wird im Ladenlokal des Warenkorbs noch zusammengesessen, um den Tag gemütlich Revue passieren zu lassen.

Der Verkaufsablauf beim Enser Warenkorb:


Wer seine Lebensmittel vom Enser Warenkorb beziehen möchte muss eine Bescheinigung vorweisen, dass er nach der Sozialgesetzgebung bedürftig ist. Anschließend bekommt er einen Ausweis und kann sich einmal damit in der Woche seinen Lebensmittelbedarf abholen: Einzelhaushalte zahlen 1,- Euro, Zweipersonen-Haushalte 1,50 Euro und Haushalte mit mehr Personen maximal 2,- Euro.

Die Warenausgaben finden jeweils dienstags und freitags von 13.30 Uhr bis 16 Uhr statt. Für eine gerechte Lebensmittelausgabe gibt es für die vor dem Eingang wartende Kundschaft je eine Nummernkarte, die die Eintrittsreihenfolge regelt. Dazu darf sich jeder Warenabholer seine Eintrittskarte nach dem Zufallsprinzip selbst ziehen, d. h. alle Eintrittskarten werden mit ihren Aufrufnummern vor der Ausgabe gemischt.

Quelle: Text, Foto und Reportage von Vanessa Moesch

… veröffentlicht im Soester Anzeiger,
Lokalausgabe Werl, am 3. April 2024 auf Seite 14

 

 

Zurück